Arbeit von Melissa Sehrt zum Gerlhamer Moor: Unterschied zwischen den Versionen

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* LPAZ 2: 10.650–6.400 BP mit zwei Sub-Zonen vor und nach 9.700 BP
 
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** LPAZ 2a: 10.650–9.700 BP <br /> In diesem Jahrtausend werden Kiefer (Pinus) und Birke (Betula) von rund 30 % auf unter 10 % extrem reduziert. Das Freiland war angefüllt mit Hasel (Corylus avellana) – mit einem Anteil von 50 % allel Pollen – und Eichen (Quercus) mit über 10 % Anteil und Linde (Tilia) mit 5 % Anteil. Letztere ist Insekten-bestäubt, sodass der trotzdem 5 %ige Pollenanteil für einen enormen Anteil von Linden beim Gerlhamer Moor spricht. Interessanterweise geht dieser massive Baumartenwechsel mit drei Großfeuerereignissen in den Jahren 10.580, 10.320 und 10.050 BP einher, die diesen Austausch „befeuert“ haben könnte.
 
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* LPAZ 3: 6.400 BP – heute
 
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Version vom 5. Juni 2024, 17:19 Uhr

Sehrt (2019), Melissa: Multi-proxy Study of the Late-Glacial to Holocene Lake Basin Development and Vegetation History at Gerlhamer Moor (Multiproxy-Studie zur spätglazialen bis holozänen Seebeckenentwicklung und Vegetationsgeschichte im Gerlhamer Moor). Uni. Innsbruck, 71 S.

Melissa Sehrt: Die Region Mondsee und Attersee ist bekannt für die intensive Erforschung der prähistorischen, neolithischen und bronzezeitlichen Seeufersiedlungen, die unter den Bedingungen des Wasserabschlusses außergewöhnlich gut erhalten sind. Neben den Seeufersiedlungen finden derzeit auch archäologische Fundstellen im Hinterland der Seen große Beachtung, um zu klären, ob und in welchem Ausmaß prähistorische Siedler die Umgebung der Seen für Ackerbau und Viehzucht genutzt haben. Gleichzeitig gibt es für die Region bisher nur wenige Informationen mit gut datierter Vegetationsdynamik und den menschlichen Einfluss auf die ehemalige Vegetation. Eine paläoökologische und sedimentologische Multi-Proxy-Studie unter Verwendung von Pollen, Nicht-Pollen-Palynomorphen, Makrofossilien, Mikro- und Makrokohlepartikeln und Röntgenfluoreszenz-Analysen aus einem Sedimentkern aus dem Gerlhamer Moor nordwestlich des Attersees wird zur Rekonstruktion der Vegetation seit dem Spätglazial und für das gesamte Holozän herangezogen.

Zur Beschriftung des Pollendiagramms:

Pollendiagramm Gerlhamer Moor by Melissa Sehrt

Pinus mugo-sylvestris-type … Zwerg-Bergkiefer (Latsche)
Betula … Birke
Picea abies … Fichte
Corylus avellana … Haselnuss
Alnus … Erle
Ulmus … Ulme
Quercus … Eiche
Tilia … Linde
Fraxinus excelsior-type … Esche
Acer … Ahorn
Fagus sylvatica … Rotbuche
Abies alba … Weißtanne
Carpinus betulus … Hainbuche

Palynologisches Diagramm für alle Baum- und Strauchtaxa und Mikrokohlepartikel, die in 70 Sedimentproben aus dem Gerlhamer Moor gefunden wurden. Die Pollentaxa und Mikrokohlen sind als Prozentwerte der definierten 100%-Pollensumme angegeben. Helle Silhouetten stellen die zehnfach überhöhten Prozentwerte dar. Klimatische Kaltphasen wurden mit den Abkürzungen und der Nummerierung der Kaltphasen eingezeichnet: Abkürzungen: CE: Central European cold-humid phases – Mitteleuropäische kalt-feuchte Phasen; BE: Bond-Event – Bond-Ereignis; LIA: Little Ice Age – Kleine Eiszeit. Abkürzungen für Chronozonen: OD: Oldest Dryas – Älteste Dryas; B/A: Bölling/Alleröd complex – Bölling/Alleröd-Komplex; YD: Younger Dryas – Jüngere Dryas; PL: Paläolithikum; ML: Mesolithikum; NL: Neolithikum; BA: Bronze Age – Bronzezeit; IA: Iron Age – Eisenzeit: RP: Roman Period – Römische Zeit; MP: Medieval Period – Mittelalter; MT: Modern Times – Neuzeit.



Das Gerlhamer Moor hat eine Fläche von 0,12 km² und liegt zwischen zwei Endmoränen der letzten Eiszeit. Mit dem Ende der letzten Eiszeit war das heutige Moor ein sogenanntes „Toteisloch“, das sich zu einem See entwickelte, in dem sich biologisches Material und ebenso Pollen ablagerten. Der Übergang des Sees in ein Moor erfolgte erst vor 5.200 Jahren aufgrund einer Eutrophierung.

Mittels eines Bohrkerns aus 2016 mit einer Länge von knapp über 5,5 Metern kann die gesamte Entwicklung seit der Eiszeit nachverfolgt werden. Hierzu wurden in entsprechenden Abständen 11 14C-Datierungen vorgenommen, mit dem der gesamte Kern zeitlich skaliert werden konnte.

Die ältesten, untersten Schichten bestehen aus späteiszeitlichem Sediment (30 cm; 18.000 Jahre alt) dem eine mächtige Seekreideschicht folgt (350 cm; 18.000–5.500 Jahre BP). Darüber liegt eine Gyttja-Schicht (50 cm; 5.500–3.000 BP), gefolgt von Torf (130 cm; 3.000–heute).

In den ältesten Schichten – gleich nach Bildung des Sees– bildete sich um 17.000 BP eine aquatische Fauna und Flora. Die ältesten Pollen wurden in einer Tiefe von 549,5 cm gefunden, was einem Alter von 15.400 BP entspricht.

Der Bohrkern kann in drei Cluster geteilt werden: „Local Pollen Assemblage Zone“ = „Lokale Pollen Zusammensetzungs-Zone“:

  • LPAZ 1: 15.400–10.650 BP mit zwei Sub-Zonen vor und nach 14.500 BP
    • LPAZ 1a: 15.400–14.500 BP
      Pollen erst ab 15.400 BP: 60 % der Pollen stammen von Sonnenröschen (Helianthemum), Beifuß (Artemisia), Gänsefuß (Chenopoiacae), Wegerich (Plantago), Kreuzblütler (Brassiacaceae), Ampfer (Rumex), Wiesenrauten (Thalictrum), Wegwarte (Cichorioideae), Korbblütler (Asteraceae) und Süßgräsern (Poaceae). Weitere 25 % kommen von Baum- und Strauchpollen der Arten Zwerg-Bergkiefer [Latsche] (Pinus mugo-sylvestris) und Birke (Betula). Die restlichen 15 % machen Chinesisches Meeträubel (Ephedra), Wacholder (Juniperus), Weide (Salix) und Sanddorn (Hippophae rhamnoides) aus. Im See gab es mehrere Algenarten und aquatische Würmer.
    • LPAZ 1b: 14.500–10.650 BP
      Um 14.500 kommt es zu einer rasanten Zunahme von zuerst Birke (Betula) und dann Kiefer (Pinus). Die Vorherrschaft dieser Arten wechselte mehrmals in dieser Zone. Als Sträucher gibt es zwischen 13.000 und 12.000 BP etwas Weide (Salix) und Sanddorn (Hippophae rhamnoides) sowie Wacholder (Juniperus), Beifuß (Artemisia), Süßgräsern (Poaceae) und Mädesüß (Filipendula).
      Zwischen 11.500 und 10.650 BP wandern einzelne neue Baumarten ein wie Ulme (Ulmus), Fichte (Picea abies), Hasel[nuss] (Corylus avellana) und Linde (Tilia). Um 10.850 gab es schweres Feuerereignis, die diese Einwanderungen begünstigt haben könnte. Gegen Ende dieser Zone treten Farne auf: Sumpffarn (Thelypteris palustris), Zerbrechlicher Blasenfarn (Cystopteris fragilis) und [der uns wohlbekannte] Wurmfarn (Dryopteris).
  • LPAZ 2: 10.650–6.400 BP mit zwei Sub-Zonen vor und nach 9.700 BP
    • LPAZ 2a: 10.650–9.700 BP
      In diesem Jahrtausend werden Kiefer (Pinus) und Birke (Betula) von rund 30 % auf unter 10 % extrem reduziert. Das Freiland war angefüllt mit Hasel (Corylus avellana) – mit einem Anteil von 50 % allel Pollen – und Eichen (Quercus) mit über 10 % Anteil und Linde (Tilia) mit 5 % Anteil. Letztere ist Insekten-bestäubt, sodass der trotzdem 5 %ige Pollenanteil für einen enormen Anteil von Linden beim Gerlhamer Moor spricht. Interessanterweise geht dieser massive Baumartenwechsel mit drei Großfeuerereignissen in den Jahren 10.580, 10.320 und 10.050 BP einher, die diesen Austausch „befeuert“ haben könnte.
    • LPAZ 2a: 9.700–6.400 BP
  • LPAZ 3: 6.400 BP – heute