Rückwanderung der Eichen

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Exzerpt zur Rückwanderung der Eichen in die Schweiz

Mátyás, Gabor: → Rekonstruktion der nacheiszeitlichen Einwanderung der Eichen in der Schweiz anhand ihrer Chloroplasten-DNA.

Bei Birken (Betula spp.), Kiefern (Pinus spp.) und Fichte (Picea abies) werden deren Samen anemochor (durch Wind) verbreitet. Für zooehor (durch Tiere) verbreitete Quercus-Arten waren jedoch die Interstadiale sehr wahrscheinlich nicht ausreichend lang und warm, um sich nach Mitteleuropa ausbreiten zu können. Sie überdauerten die würmeiszeitliche Kaltphase, welche ihr Kältemaximum etwa 20'000 BP hatte, in Refugien Südeuropas.

Es gab drei würmeiszeitliche Hauptrefugien der sommergrünen Eichen in Europa:

  • Westliche Region (Spanien, Golfvon Biskaya).
  • Zentraleuropäische Region (Gebiete südlich der Alpen in Südfrankreich) und weitere Refugien im Bereich des Toscanischen Hügellands.
  • Östliche Region (Balkanhalbinsel, Bereich Schwarzes Meer, Teile der Türkei).

Zwischen den Refugien haben sich die Eichenpopulationen während der langen würmeiszeitlichen Vereisungsperiode (ca. 100.000 Jahre) höchstwahrscheinlich genetisch voneinander differenziert, da ihre Rückzugsgebiete von West nach Ost durch das Mittelmeer voneinander geographisch isoliert waren.

Wiedereinwanderung nach Mitteleuropa:

Das Klima wurde ozeanischer und Gehölzarten konnten in Mitteleuropa wieder heimisch werden. Der Ablauf der Wiederbesiedlung wurde durch die Klima- und Bodenverhältnisse sowie die Konkurrenzfähigkeit der Populationen gegenüber bestehender Vegetation bestimmt.

Die Wiedereinwanderung der Quercus-Arten nach Mittel- und Nordeuropa begann vor ca. 13'000 Jahren. Dies erfolgte vermutlich auf einer breiten Front, zeitgleich und stetig über einen westlichen und einen östlichen Rückwanderungsweg. Dagegen wird angenommen, dass möglicherweise die Pyrenäen, Alpen und Karpaten sowie das Trockengebiet der Pannonischen Ebene (Karpatenbecken) diese Wiederausbreitung behinderten. Quercus-Arten aus den Refugien des Mittelmeers konnten sich sehr wahrscheinlich im Wesentlichen nur durch schmale Korridore im Westen und Osten der Alpen wieder nach Mitteleuropa ausbreiten. Es wird vermutet, dass sich im Raum nördlich der Alpen Quercus-Arten von Westen und Osten her unter Umgehung des Alpenbogens ausweiteten. Möglicherweise konnten Quercus-Arten den Alpenhauptkamm im Bereich des Brenners (1371 m ü.M.) von Süden nach Norden überqueren. Als weitere mögliche Rückwanderungswege gelten die großen Alpentäler (z.B. Inntal, Rheintal, Rhonetal, Tessintäler). Aufgrund der Höhe der Passübergänge ist es aber anzunehmen, dass die Alpen mindestens zum Teil eine Barriere für die Wanderung der Eichen darstellten.

Die südliche Grenze der heutigen Schweiz erreichten die Quercus-Arten vor ca. 11.000 Jahren; bis 9000 BP breiteten sie sich im ganzen Tessin (ital. Schweiz) aus. In die Nordschweiz wanderten sie vor ca. 9000 Jahren vermutlich von Osten und Westen ein. Nur etwa 300 Jahre danach besiedelten sie das gesamte Mittelland, wobei sich die beiden Einwanderungswege etwa im zentralen Mittelland getroffen haben dürften. Bis 9.000–8000 BP war damit die Rückwanderung der Eichen in die Schweiz abgeschlossen.

Im Lauf des Atlantikums (ca. 7500-5000 BP), welches die typische Eichenmischwaldzeit während des postglazialen Wärmeoptimuns darstellte, erreichten die Quercus-Arten ihre maximale Ausbreitung. Dies war neben den güstigen Klimaverhältnissen auch durch die damals fehlende Konkurrenz der Schatthölzer bedingt. Darüber hinaus waren vermutlich während des Atlantikums die submediterranen und mediterranen Quercus-Arten (Q. pubescens, O. cerris, Q. ilex) stärker als heute verbreitet.

Im Subboreal (5000-2500 BP) drängten die Schatthölzer Buche (Fagus sylvatica), Fichte (Picea abies) und Tanne (Abies alba) allmählich die Quercus-Arten zurück. Zudem nahm der Mensch Einfluss auf die Eichenwälder: Pollenanalytisch ist der menschliche Eingriff in die Vegetation Mitteleuropas durch Rodungs- und Siedlungsanzeiger bereits ab der Jungsteinzeit (Jungneolithikum) unzweifelhaft nachweisbar.

Menschlicher Einfluss

Seit dem Neolithikum (ca. 7000-3800 BP) nahmen die menschlichen Einflüsse auf die Vegetation in tieferen Lagen der Schweiz allmählich zu. Dabei wurde die zuvor entstandene Waldlandschaft durch Einführung von Kulturpflanzen und Haustieren (Rinder, Schafe, Ziegen, Schweine) grundlegend verändert. Wälder wurden gerodet, um Platz für Siedlungen und Ackerland zu schaffen bzw. Brenn- und Rohstoff (Hausbau, Werkzeuge, Geräte) zu gewinnen. Die beweideten Wälder wurden zunehmend aufgelichtet, und für die Winterfütterung wurde Laubheu gewonnen. Dabei dürften Eichenwälder in der Umgebung der Siedlungen infolge einer größeren Viehhaltung durch Mastlieferung (insbesondere für Schweine) und Weidetätigkeit erheblich beeinflusst worden sein. Die Siedlungen bestanden jedoch oft nur wenige Jahrzehnte oder Jahrhunderte lang und wurden anschließend verlagert. Somit meint KÜSTER (1996), dass in den Kerngebieten des Ackerbaus fast alle für eine Siedlungsgründung geeigneten Stellen einmal besiedelt und/oder beackert worden sind, wodurch dort der ursprüngliche Wald mindestens einmal gerodet wurde.

Grenzen der Pollenanalyse

  • Anhand der Pollenanalyse ist es nicht möglich, die Wanderungsgeschichte einer der Arten Quercus petraea, Q. robur und Q. pubescens nachzuvollziehen, da die Pollen dieser Arten morphologisch nur durch feine Unterschiede voneinander abweichen und sich somit nicht mit Sicherheit unterscheiden lassen.
  • Die Verbreitung von fossilen Pollen gibt keine Auskunft darüber, in welchem der bekannten drei Refugien die Eichen der Schweiz die letzte Eiszeit überlebten. Der Grund dafür besteht darin, dass Quercus-Populationen verschiedener Refugien vor dem Erreichen der Schweiz miteinander in Kontakt kamen und somit ihr getrenntes Verfolgen anhand von Pollen-Isoclhronen nicht mehr möglich ist. Es kann anhand von Pollendaten auch nicht geklärt werden, ob und zu welchem Grad eine (genetische) Vermischung zwischen Quercus-Populationen unterschiedlicher Herkunft nach einem Kontakt stattgefunden hat.
  • Es ist nicht genau bekannt, wie Quercus-Arten den Alpenraum besiedelt haben. Dies liegt zum einen daran, dass die Möglichkeit zur Beobachtung von fossilen Pollen aufgrund der beschränkten Anzahl an Mooren und Seen in der Alpenregion sehr begrenzt ist. Zum anderen ist die Pollenanalyse im Alpenraum durch einen anteilmäßig großen Fernflug der Quercus-Pollen erschwert. So wird nur eine Isochrone für die Quercus-Arten in der Schweiz angegeben.

Rekonstruktion der postglazialen Eichenrückwanderung anhand von cpDNA-Markern

Infolge der beschränkten Aussagekraft von Pollenanalysen werden heute vermehrt DNA-Marker aus den Chloroplasten für Untersuchungen der nacheiszeitlichen Wanderungsgeschichte der Quercus-Arten verwendet.

Die Untersuchungsergebnisse lassen vermuten, dass Quercus Populationen auf mindestens zwei nacheiszeitlichen Rückwanderungswegen die Schweiz besiedelt haben und dass sich diese Wanderungswege in der Schweiz getroffen haben. Die Schweiz scheint somit in einer Übergangszone von verschiedenen nacheiszeitlichen Rückwanderungsströmungen zu liegen.

Nacheiszeitliche Rückwanderung

Analysen fossiler Pollen zeigen, dass die nacheiszeitliche Rückwanderung der Eichen in die Schweiz von etwa 11.000 BP bis 8.000 BP andauerte, wobei die Eichen zuerst die südliche Grenze der heutigen Schweiz erreichten.

Verfolgt man die Verbreitung dieses cpDNA-Typs, so lässt sich die Ausbreitung der Eichen von Süden (Süditalien) nach Norden (Süddeutschland) rekonstruieren. Die Eichen im Puschlav, Bergell, Tessin und im Oberwallis sind höchstwahrscheinlich aus Italien eingewandert.

Dies deckt sich mit den Ergebnissen anderer Untersuchungen, nach denen der Alpenhauptkamm eine Barriere für die Rückwanderung von verschiedenen Tier- und Pflanzenarten darstellte.

Es gibt die Vermutung, dass die Eichen den Alpenhauptkamm auch im Bereich des Brenners (1371 m ü.M.) von Süden nach Norden überquerten.

Das Vorhandensein anderer Baumarten (z.B. Weißtanne – Abies alba, Fichte – Picea abies) könnten ebenfalls eine biologische Barriere dargestellt haben.